Was versteht man eigentlich unter dem Begriff Renaturierung?
Renaturierung ist ein Sammelbegriff, unter dem die Vielzahl von möglichen Maßnahmen an einem Wasserlauf zusammengefasst werden. Sie führen insgesamt zu einer Verbesserung der ökologischen Verhältnisse an einem Gewässer und ermöglichen eine naturnähere Entwicklung.
Für uns Menschen kaum wahrnehmbar, verändert jeder Bach ständig seinen Lauf, etwa so, wie hier vereinfacht dargestellt. Er bricht seitwärts aus, er mäandriert. Dieser Vorgang dauert mehrere Jahrzehnte und länger, abhängig von dem Wasseraufkommen, der Geländeform, der Bodenart oder dem Bewuchs - um nur einige Faktoren zu nennen. Dabei entsteht eine Fülle unterschiedlichster Strukturen und somit Lebensräume für eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten, die alle mehr oder minder auf das Wasser angewiesen sind.
Also nicht nur der Bachlauf, sondern auch der angrenzende Auebereich sind Teil eines Gewässersystems.Deshalb brauchen naturnahe Bäche Platz.
Die Hauptströmung (dunkelblau) trifft immer irgendwo auf das Ufer und wird wieder abgelenkt. Durch die Kraft des Wassers wird Boden im Uferbereich abgeschwemmt. So entsteht der Prallhang. Gegenüber, am Gleithang sinken Sedimente ab und bilden eine Sandbank, da dort das Wasser ruhiger fließ, die Schleppkraft gering ist. So einen Bachbogen nennt man auch Mäander. In den unterschiedlichen Strömungsverhältnissen finden Wirbellose und Jungfische den für sie notwendigen Lebensraum.
Auf den Sandbänken siedeln sich u. a. wasserliebende Pflanzengesellschaften an.
Projektziel:
Entwicklung von Bachschleifen (Mäander) sie zulassen und dulden. Überschwemmungen zulassen (Retentionsflächen schaffen)
Früher bildeten Gewässer und Auebereich als eine Einheit die Voraussetzung für einen natürlichen Bachlauf mit landschaftsprägendem Gehölzsaum und vielfältigen Tier- und Pflanzengesellschaften.
Heute sind aber bereits über 90 % aller Bäche und Flüsse in Deutschland menschlichen Eingriffen unterworfen, begradigt worden.
Egal, ob wie hier ein kleiner Quellbach oder ein mächtiger Fluss, die negativen Auswirkungen sind:
- Hochwassergefährdung
- Rückgang der Pflanzenvielfalt
- Rückgang der Tierartenvielfalt
- die Wasserqualität sinkt
- u. a. Sauerstoffmangel
- Dünge- und Herbizideinträge durch landwirtschaftliche Nutzung bis an das Ufer,- bis in den Bach
Projektziel:
Schaffung von Randflächen (Pufferzonen) zwischen landwirtschaftlich genutzten Flächen und Bachlauf mit entsprechendem Gehölzsaum.
Reicht eine Ackerfläche bis unmittelbar an das Ufer, wird wertvolle Ackerkrume abgeschwemmt (incl. Dünger und Spritzmittel).
Die Feinsedimente verschließen im Bachbett das natürliche Sand-Lückensystem.
Was das für einen natürlichen Bachlauf bedeutet, veranschaulicht nachfolgendes Bild. Fischlaich wird im seichtem Wasser des Uferbereiches (links) abgelegt und fällt auf den sandig, kiesigen Bachgrund
In der Vergrößerung erkennt man, dass die Fischeier zunächst im oberen Bereich des Sand-Lückensystems abgelegt werden, dann tiefer in das Substrat fallen. In den Zwischenräumen findet nun die etwa 15-tägige Entwicklung statt. Dann erst schwimmen die Jungfische wieder hoch ins freie Wasser.
Deckt nun abgeschwemmter Boden das Sand-Lückensystem zu, ist die Lebensgrundlage für Laich, Eintags- und Köcherfliegenlarve und vielen weiteren Arten zerstört.
Folge:
Rückgang div. Tierarten (Wasseramsel, Eisvogel Schwarzstorch, div. Fische usw.) denn die Nahrungskette ist unterbrochen.
Projektziel:
Nutzungsänderung ackerbaulicher Flächen (z. B. parallel zum Hang pflügen, tiefe Grenzfurche, Gründüngung / Zwischenfrucht) oder Rückführung in Grünland reduziert das Abschwemmen des Mutterbodens.
Durch Begradigung wird die Länge des Bachlaufes verkürzt. Dadurch wird auch die Fließgeschwindigkeit und die Schleppkraft des Wassers künstlich erhöht, auch der Unterhaltungsaufwand ist höher.
Weitere Auswirkung:
Ein monotoner Graben bietet keine Lebensgrundlage für die Bachbewohner.
Einziger Vorteil: die Nutzbarkeit bachbegleitender Flächen ist einfacher.
Ein begradigter Bachlauf frisst sich oft immer tiefer in den Grund. Also errichtete man Querverbaue (Schwellen), um die Fließgeschwindigkeit zu drosseln und die Tiefenerosion zu stoppen.
Vielleicht überwindet eine Forelle ein solches Hindernis. Für die grosse Mehrheit der Bachbewohner ist dieser Querverbau eine unüberwindliche Bariere.
Die ökologische Durchgängigkeit ist somit nicht mehr gegeben.
Projektziel:
Umbau der Sohlschwellen in Sohlgleiten. Neigung etwa 1:25
Sie wissen nun um die Nachteile von begradigten, unbesäumten Bachläufen, tief eingegraben, mit "schnellem" Wasser, Sohlschwellen und folgerichtig fehlender Tier-und Pflanzenwelt.
Alle Probleme sind letztlich zu lösen mit der Zielaussage:
Natürliche Bäche brauchen PLATZ !
Bringen Sie Ihren Bach auch wieder in Schwung.
Mit Strömungslenker wie Weidenwippe, Störstein, Baumpflanzung (bzw. kein Freischnitt) und nicht entfernen von angeschwemmten Totholz wird sich der Bach wieder natürlich entwickeln. (Vorher Rechtslage abklären)
Mehr erfahren Sie über die hier nur kurz angesprochenen Bereiche bei Renaturierungsmassnahmen anhand des Bachlaufmodelles.
Viele Zusammenhänge (Gewässerdynamik) lassen sich anschaulich nachvollziehen und erläutern (auch für Schulklassen!).
Das also ist eine Gewässerrenaturierung:
Ein dynamischer Prozeß, der alle Maßnahmen, Handlungen und bewußte Unterlassungen beinhaltet, die dazu dienen, die natürliche Struktur, Dynamik und Funktionsfähigkeit eines Gewässers wieder herzustellen.